Kirchen und Klöster

Archäologische und baugeschichtliche Untersuchungen an mittelalterlichen Kirchen und Klöstern in Südniedersachsen

Die wichtigsten Maßnahmen und Ergebnisse

Sieboldshausen, Gde. Rosdorf, Ldkr. Göttingen
Pfarrkirche St. Martin
Rekonstruktion der romanischen Martinskirche in Sieboldshausen
Rekonstruktion der romanischen Martinskirche in Sieboldshausen
Im Hoch- und Spätmittelalter Kirche eines Erzpriesters (Archipresbyteriat). Archäologische und baugeschichtliche Untersuchung zwischen 1979 und 1981 im Zuge der allgemeinen Bausanierung mit Heizungseinbau. Im heutigen schlichten Saalbau mit Westturm und Rechteckchor Feststellung mittelalterlicher Substanz, und zwar im Untergrund wie im aufgehenden Mauerwerk, dadurch Herausarbeitung der ursprünglichen romanischen Gebäudekonzeption: einschiffiger Saalbau, vermutlich mit Flachdecke, im Osten mit abgeteiltem Chorraum, darin zentral das Fundament eines Blockaltars, östlich anschließend zweiter Chor als um Mauerstärke eingezogener querrechteckiger Bau mit zentralem Blockaltarfundament; im Westen repräsentative breite Zweiturmfassade auf dreigeteiltem Unterbau, darin mittig das große rundbogige Hauptportal, die beiden seitlichen Turmuntergeschosse mit Tonnengewölbe. Gesamtlänge der Kirche 32 m, Breite der Westturmfront 14,3 m. Im Kirchenuntergrund allgemein Fundmaterial aus Hochmittelalter bis Neuzeit, außerdem Gräber, z. T. als tonnengewölbte Schächte, einmal in zentraler Lage im Kirchenschiff, mit vorhandenen beschrifteten und ornamentierten Grabplatten, überwiegend aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Meensen, Gde. Scheden, Ldkr. Göttingen
Pfarrkirche St. Johannes Baptist
Grab 2 in der Johanniskirche in Meensen
Grab 2 in der Johanniskirche in Meensen
Heutiger Bau ist zweiteilig: barockes Langhaus mit Rechteckchor von 1777/79, erbaut nach vorherigem Abbruch des wohl mittelalterlichen Saales mit eingezogenem Recheckchor, im Westen massiver gedrungener Turmbau, mittelalterlich. Im Zuge von Renovierungsarbeiten 1995 und 1996 Durchführung archäologischer und baugeschichtlicher Untersuchungen im Turminnenraum. Das Untergeschoss mit rund 2 m Mauerstärke, einer Innenraumgröße von 3,5 x 4,4 m und erhaltenem Tonnengewölbe weist keinen Außeneingang auf, dafür zeigte sich eine alte, teilweise zugemauerte breite Rundbogenöffnung zum Langhaus.

Im ungestörten Turmuntergrund Auffindung von drei hochmittelalterlichen Körpergräbern von mutmaßlichen Mitgliedern der örtlichen Niederadelsfamilie (Herren von Meensen) in symmetrischer Lageanordnung: eine mittige Grabgrube im Durchgang zum Saal (juvenil, Geschlecht unbestimmt), zwei Gräber im Innenraum jeweils an der seitlichen Innenwand. Grab 1 in einfacher Grube, Skelett eines ca. 60 Jahre alten Mannes in Rückenlage; Grab 2 in Steinkiste aus hochkant gestellten Steinplatten, darin Skelett einer ca. 70 Jahre alten Frau in Rückenlage, Kopf mit Steinunterfütterung leicht aufgerichtet. Aus allen drei Grabgruben zahlreiche Fundeinschlüsse, hauptsächlich Keramikbruch (weichgebrannte ältere Kugeltopfware, rauwandige Drehscheibenware) der Zeit vor 1100, in Grab 1 dazu ein zerscherbtes dünnwandiges Trinkglas mit vertikalen Fadenauflagen aus dem 13. Jahrhundert.

Meensen, Gde. Scheden, Ldkr. Göttingen
Wüstungskirche St. Laurentius
Grabungsplan der romanischen Laurentiuskirche in Vriemeensen
Grabungsplan der romanischen Laurentiuskirche in Vriemeensen
Im Rahmen der mehrjährigen archäologischen Untersuchungen der überackerten Ortswüstung +Vriemeensen 1994 Entdeckung der Kirche St. Laurentius im Luftbild sowie im Folgejahr die Gesamtausgrabung der Gebäudereste (Bau XV).
Fundamente nur z. T. als massive Bausubstanz, dagegen überwiegend nur als Ausbruchgräben erhalten. Rekonstruktion als annähernd geostetes, mehrteiliges Gebäude mit einfachem Langhaussaal, querrechteckigem Westturm, um Mauerstärke eingezogenem Ostchor und nochmals eingezogener Halbrundapsis. Im Innenraum Fußbodenreste (gegossener Lehmestrich). Im Bauschutt zahlreiche Reste der Dacheindeckung mit Hohlpfannen (Mönch & Nonne, weiß engobierte Biberschwanzziegel). Gesamtlänge der Kirche 21,5 m, Datierung: spätes 12. Jahrhundert. Jüngerer Anbau an den Saal als nördliches Seitenschiff, darin bevorrechtigte Grablegen mehrerer Personen vermutlich des örtlichen spätmittelalterlichen Niederadels. Im Umkreis der Kirche diverse Bestattungen eines Kirchhofes, insbesondere unmittelbar am Chor mehrere Kleinkindgräber.

Hann. Münden, Ldkr. Göttingen
Wüstungskirche St. Laurentius
Von 1993 bis 1996 Ausgrabung und baugeschichtliche Untersuchung der Kirchenruine St. Laurentius in der präurbanen Vorgängersiedlung „Altmünden“ am westlichen Weserufer bei Hann. Münden. Siehe unter Wüstungen.

Hedemünden, Ldkr. Göttingen
Pfarrkirche St. Michaelis
Hedemünden. Michaeliskirche. Ottonische Saalkirche und spätromanischer Bau
Hedemünden. Michaeliskirche. Ottonische Saalkirche und spätromanischer Bau
Gotische Hallenkirche mit Westturm am Westrande des Ortszentrums, umbaut von einer Wehranlage mit Mauer und Graben. Ehemalige Eigenkirche der 1017 urkundlich erwähnten ottonischen (liudolfingischen) Curtis an einem wichtigen N-S-Werraübergang. Während der umfassenden Renovierung mit Fußbodenheizungseinbau erfolgten 1979/80 auch archäologisch-baugeschichtliche Untersuchungen. Anhand vorgefundener Substanzbefunde im aufgehenden Mauerwerk und ergrabener Fundamente kann eine dreiphasige mittelalterliche Bauentwicklung rekonstruiert werden:

1. Im 9./10. Jahrhundert Erstbau einer einschiffigen Saalkirche mit um Mauerstärke eingezogener Halbrundapsis im Osten und innerer Abtrennung einer Empore im Westen, Länge insgesamt 17 m, Breite 8,7 m. Eigenkirche der Curtis mit herrschaftlicher Empore.

2. Um 1210 Neubau einer zweischiffigen spätromanischen Basilika oder Hallenkirche, beide - eingewölbte - Schiffe mit halbrunden Apsiden. Länge der Kirche (Hauptschiff) 24 m, Breite insgesamt 14 m. Als Bestandteil dieser Kirche sind heute ein frühgotischer, lebensgroßer Kruzifixus aus Holz sowie eine bienenkorbförmige Glocke, um 1300 gegossen, vorhanden.

3. In gotischer Zeit Umgestaltung zur Hallenkirche, Wegnahme der Konchen und Begradigung des Ostabschlusses, darauf Kalkseccomalereien; im Westen Errichtung des bergfriedartigen Turmes.

Die heutige Form der Kirche ist durch letzte barockzeitliche Umgestaltungen geprägt.

Die Grabungen erbrachten ein umfangreiches mittelalterliches und neuzeitliches Fundmaterial, insbesondere Siedlungsreste, dazu auch Bauschutt, u. a. polychrom bemalte Putzteile, Glasfensterscherben. Desgleichen Auffindung mehrerer Gräber von Pastoren und deren Verwandtschaft, datierbar - besonders durch mitvorhandene Grabplatten - in das 17. und 18. Jahrhundert.

Tiftlingerode, Stadt Duderstadt, Ldkr. Göttingen
Pfarrkirche St. Nikolaus
Tiftlingerode. St. Nikolaus. Ottonische Baureste
Tiftlingerode. St. Nikolaus. Ottonische Baureste
Barockzeitlicher schlichter Bau im Zentrum des Dorfes, auf leicht hügelförmiger und durch einen mutmaßlichen ehemaligen Befestigungsring (heutige Bezeichnung „Burgring“) umschlossenen Geländeerhebung. Nach Abbruch der Pfarrkirche erfolgte 1986 eine Flächengrabung, um zu erwartende mittelalterliche Vorgängerbaureste freizulegen. Unter und neben dem barockzeitlichen Grundriss fanden sich so die massiven Fundamente eines in seinen ältesten Teilen noch ottonischen Vorgängergebäudes. Dieses kann als einschiffige Saalkirche mit um Mauerstärke eingezogenem quadratischem Chor rekonstruiert werden, ein Westturm war nicht nachweisbar. Gesamtlänge der Kirche rund 20 m.

Im Innenraum wie im Außengelände fanden sich Körpergräber, vermutlich überwiegend neuzeitlich.

Seulingen, Ldkr. Göttingen
Pfarrkirche St. Johannes Baptist
Grabung in der Johanniskirche in Seulingen
Grabung in der Johanniskirche in Seulingen
Gotischer Hallenbau mit Westturm, im Osten neugotische überbreite, dreischiffige Chorgestaltung des 19. Jahrhunderts. Während des Einbaus einer Fußbodenheizung erfolgte 1986 die flächenhafte Innenraumgrabung. Anhand vorgefundener Fundamente kann eine vierphasige Entwicklung aufgezeigt werden:

1. Erstbau als romanische einschiffige Saalkirche mit um Mauerstärke eingezogenem, kreuzgewölbten Quadratchor, an dessen Ostwand innen das Fundament eines Blockaltars, im Westen des Saales innere Abtrennung einer Empore; Gesamtlänge 19 m. Zerstörung durch Brand im 13. Jahrhundert.
Seulingen. St. Johannis. Schwarz: romanische Bauphase
Seulingen. St. Johannis. Schwarz: romanische Bauphase

2. Neubau als - in allen Richtungen - vergrößerte gotische Hallenkirche mit eingezogenem polygonalem Chor, darin der gemauerte Altarblock, im Westen ein quadratischer Turm (eventuell erst in spätgotischer Zeit angebaut). Gesamtlänge 30,5 m.

3. Umfangreiche Erneuerungen in der Barockzeit.

4. 1869 Abbruch des Chores, Errichtung eines Querhauses mit dreischiffigem Chorabschluss, Mittelschiff mit halbrunder Apsis.

Während der Grabung konnten mehrere Pastorengräber aus dem 17. und 18. Jahrhundert vor dem ehemaligen gotischen bis barockzeitlichen Altar freigelegt werden. Ansonsten im Innenraum differenzierte Auffüll- und Fußbodenschichten mit Fundmaterial, u. a. Glockengussüberreste aus dem 13. Jahrhundert.

Bernshausen, Gde. Seeburg, Ldkr. Göttingen
Pfarrkirche St. Peter und Paul
Bernshausen. Romanische Kirche St. Peter und Paul
Bernshausen. Romanische Kirche St. Peter und Paul
Im Oberdorf, dem hochmittelalterlichen Ortskern von Bernshausen, Platz der ehemaligen, 1875/76 abgebrochenen Pfarrkirche. Leicht erhöhte Lage oberhalb des östlichen Ufers des Seeburger Sees, am Auslauftrichter des Auebaches, umgeben von einem verhältnismäßig großen ehemaligen Kirchhof (Bestattungsreste weitflächig vorhanden).
Im Rahmen des mittelalterarchäologischen Projektes Bernshausen (Früh- bis Spätmittelalter, Curtis und Fluchtburg, Motte, Landgerichtsplatz, Dorfgenese, Siedlungslandschaft) erfolgte in zwei Kampagnen 1981 und 1986 die Freilegung größerer Teilbereiche des Fundamentverlaufes und des angrenzenden Friedhofs. Der ermittelte Grundriss zeigt einen spätromanischen dreiteiligen Kirchenbau mit einschiffigem Saal, um Mauerstärke eingezogenem Rechteckchor und quadratischem Westturm, Gesamtlänge rund 31 m, größte Breite 10,7 m. Verschiedene Indizien machen im Obergeschoss des - schon im Dreißigjährigen Krieg 1625 abgebrochenen - Turmes eine Empore wahrscheinlich.

Im Chorraum Auffindung einer doppelten (übereinander) Grablege der frühen Neuzeit, männliche Bestattungen in Rückenlage, 50 - 60 Jahre und zwischen 70 - 80 Jahre alt, aufgrund der Reste aufwändiger Textilien entweder Pastoren oder Mitglieder des Adels.

Reinhausen, Gde. Gleichen, Ldkr. Göttingen
Benediktinerkloster und Klosterkiche St. Christophorus
Reinhausen. Benediktinerkloster
Reinhausen. Benediktinerkloster
Auf dem spornartigen und durch felsige Steilabfälle geschützten Kirchberg oberhalb des Altdorfes von Reinhausen bestand zwischen ca. 1100 und der Säkularisation im späteren 16. Jahrhundert ein Benediktinerkloster. Gründung durch die letzten Grafen von Reinhausen in deren bisheriger Stammburg, dem Vorort des Leinegaus. Als mittelalterliche Klosterbauten sind die Kirche St. Christophorus (Baugeschichte seit dem 10. Jahrhundert), Teile der gotischen Konventgebäude (Klausur) mit Kreuzgangresten, ein spätgotisches Hospital mit Kapelle und Teile der Umfassungsmauer vorhanden.

Reinhausen. Kloster. Romanische Kirche und Umfassungsmauer
Reinhausen. Kloster. Romanische Kirche und Umfassungsmauer
Seit 1980 zahlreiche Einzeluntersuchungen, so archäologische Ausgrabungen und Baustellenkontrollen, desgleichen baugeschichtliche Befundaufnahmen, in allen Klosterbereichen. Intensivere Arbeiten im Kreuzgang, dessen Innenhof und an der Nordseite der Kirche, dadurch Rekonstruktion der ehemaligen vierflügligen gotischen Klausur- und Kreuzgangkonzeption. Zahlreiche Siedlungsreste und baugeschichtliche Funde, z. B. spätromanische Kapitelle, gotische Maßwerk-Ornamentfliesen, mittelalterliche Hohlpfannen (vereinzelt grün glasiert). Im Außenbereich teilweise Freilegung der massiven Fundamente der ehemaligen Toranlage durch die Umfassungsmauer.

Weitere Untersuchungen, Probegrabungen und baugeschichtliche Analysen

Kloster Bursfelde bei Hemeln, Ldkr. Göttingen
Kloster Bursfelde
Kloster Bursfelde
Romanische zweiphasige Klosterkirche,daneben Teile der mittelalterlichen Klausur- und Kreuzgangbauten, auf dem Ostufer des Wesertales.

Im Zuge von Sanierungsarbeiten Gesamtfreilegung der Außenkanten der Kirchenfundamente. Dokumentation von Baufugen und Fundamenten der ehemaligen Anschlussbauten.

Ehemaliges Reichskloster Hilwartshausen nördlich von Hann. Münden, Ldkr. Göttingen
Klostergut Hilwartshausen
Klostergut Hilwartshausen
Um 960 gegründete Anlage auf dem Westufer der Weser, Auflassung nach der Reformation, Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg, heute landwirtschaftlicher Domänenbetrieb. Bis auf eine gotische Steinscheune und eine kleine Kapelle keine obertägigen Reste. Im Gutsgelände diverse romanische Bauteile (Kapitelle) vorhanden.

Mehrere baubegleitende archäologische Untersuchungen, desgleichen Geländeprospektionen, seit 1985. Feststellung gut erhaltener massiver Bausubstanz im Untergrund des Domänenhofes, freigelegt bei Grabungsmaßnahmen, aber auch erkennbar als Gebäudekanten an der heutigen Oberfläche. Nach all dem steht das barocke Pächterwohnhaus exakt auf dem Mittelschiffgrundriss der ehemaligen romanischen Klosterkirche.

Literatur in Auswahl

K. Grote, Die Martinskirche in Sieboldshausen. Zur älteren Baugeschichte einer mittelalterlichen Erzpriesterkirche. - Göttinger Jahrbuch 29, 1981, 91-124.

K. Grote, Zur ältesten Geschichte der Kirche St. Nikolaus in Tiftlingerode bei Duderstadt (Untereichsfeld). - Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 56, 1987, 403-416.

K. Grote, Zehn Jahre Kreisarchäologie Göttingen. - Veröffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums 55, Braunschweig 1989.

K. Grote, Die Kirche St. Laurentius in Altmünden. Archäologische und baugeschichtliche Untersuchung der Kirchenruine in der Vorgängersiedlung Hann. Mündens. - Duderstadt 1986.

K. Grote, Hochmittelalterliche Grabfunde in der St. Johanniskirche in Meensen, Ldkr. Göttingen. - Göttinger Jahrbuch 44, 1996, 15-27.

K. Grote, Siedlungen und Burgen, Haupthöfe und Kirchen. Das Mündener Gebiet zwischen 800 und 1100. - In: Gegraben-Gefunden-Geborgen. Archäologische Spurensuche an Werra, Fulda und Weser. Hann. Münden 1998, 14-42.

K. Grote und S. Schütte (Bearb.), Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland. Band 17: Stadt und Landkreis Göttingen. - Stuttgart 1988, 74 ff., 194 ff. und 210 ff.

K. Grote, Kirchenarchäologie. - In: M. Hauff und H.-H. Ebeling (Bearb.), Duderstadt und das Untereichsfeld. Lexikon einer Landschaft in Südniedersachsen. Duderstadt 1996, 184-186.